Im Rahmen dieser Kur findet der Cleaning-Day für mich heute zum dritten und letzten Mal statt. Eben (6:40 Uhr morgens) habe ich das Glas mit der zimtig-schokoladig schmeckenden Medizin geleert. Dieser Tag wird ein ruhiger werden. Ich habe mir vorgenommen, viel zu lesen, meine Armbänder für Anju und Anjitha fertig zu knüpfen und Dinge wegzupacken, die ich in den wenigen, verbleibenden Tagen nicht mehr brauchen werde. Ich habe einiges gekauft. Im Silk und Saree-Geschäft in Kanjirappally bin ich inzwischen so bekannt, dass mich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon beim Vornamen ansprechen. Dabei habe ich für Unmengen an Schals, Shirts, Blusen und Pölsterbezügen gerade mal 70 Euro ausgegeben.
Nicht weniger günstig bin ich zuletzt bei meiner Suche nach Knüpfgarn ausgestiegen: Mit Hilfe eines Bildes, das ich mir zuvor aus dem Internet heruntergeladen hatte, habe ich in diversen Läden danach gefragt. Bei Kripa, einem Shop für Nähzeugs in einer Seitenstraße in Kanjirappally (hinter den vebrannten Autoreifen) werde ich schließlich fündig. Ich kaufe acht Farben Garn und ein paar Sicherheitsnadeln zum Preis von 59 Rupien. Knapp 80 Euro-Cent. Einerseits freue ich mich über diese Okkasion, andererseits grenzt mein durch diese unfassbaren Preise ausgelöster Kaufwahn fast an schlechtes Gewissen. Ist es okay, dass ich hier krösusartig mehrere indische Durchschnittsmonatsgehälter auf den Schädl haue? Schließlich entlasse ich mich aus diesen Gedankengängen wieder, indem ich bejahe. Ich schade ja niemandem damit, ganz im Gegenteil, ich kaufe die Waren, die angeboten werden – vermutlich sogar zu einem (minimal) erhöhten Preis.
In Kanjirappally, in dieser für mich unvergesslichen Kleinstadt in Kerala, behandelt man mich dennoch wie eine von ihnen. Ich fühle mich wie ein normaler Kunde. Und von Abzocke ist man hier (hoffentlich noch lange) weit entfernt.
In Kerala generell zieht man als weißhäutige Frau die Blicke auf sich. Egal, was man tut, man wird beobachtet, oftmals auch angestarrt und belächelt. Es ist kein Auslachen, vielmehr ein neugieriges und schüchternes Ausloten, wie die Exotin, die ich mit Sicherheit für sie bin, wohl darauf reagiert. Spätestens dann, wenn sich meine Mundwinkel nach oben ziehen, ist das Eis gebrochen. Auch in der Bakery meines Vertrauens kennt man mich bereits und weiß, dass ich meinen Chai-Tee ohne Zucker trinke. Bevor ich wieder zum Chamundi Hill zurückfahre, genehmige ich mir meist einen.
HAPPY VISHU!
Heute ist außerdem ein hoher Hindu-Feiertag: “Vishu” – Das ist das Neujahrsfest der Malayali, also der keralischen Bevölkerung. Die Feierlichkeiten an diesem Tag beginnen üblicherweise mit dem “Vishukanni”-Ritual. Ein Vishukanni besteht aus einem herrlichen Mix (ohne Gewähr, dass die folgende Aufzählung vollständig ist) aus frischen Früchten, Gemüse, Blüten, Betelblättern und -nüssen, sowie Metallen wie Gold und diverse Münzen. Krishna, der blauhäutige Gott mit der Hirtenflöte, gehört ebenfalls dazu. Nun ist “Vishukanni”, also “das, was man an diesem Tag nach dem Aufstehen als erstes zu Gesicht kriegt”, nicht nur entscheidend für den Tag an sich, sondern gar für das ganze nächste Jahr. Am Vishu-Tag begannen Bauern ursprünglich ihre Äcker zu bestellen und die Ernte für die kommende (ertragreiche) Saison zu sähen.
Hmmm, seitdem ich das nun alles über diesen Feiertag weiß, bin ich mir nicht mehr so sicher, wie ich “mein”, am Tablett serviertes “Vishukanni” deuten soll: Anlässlich des Cleaning-Days war das nämlich nichts weiter als Medizin. Aber, immerhin mit Zimt- und Schokoladen-Geschmack!
Egal. Abends, wenn ich wieder außer Haus kann, besuchen wir einen Tempel. Ich bin gespannt, was da heute geboten wird. Happy Vishu to all of you!
Ps.: Und um jetzt auch noch halbwegs glimpflich die Kurve zurück zur Erzählung meines Einkaufsmarathons zu kriegen, möchte ich euch wissen lassen, dass ich beim Besuch des Tempels – wie an Vishu üblich – einen meiner nigelnagelneuen Salwar Kamiz ausführen werde.